Zwischen Vertrautheit und Neuem

Kim Anna Kronester über ihre Rückkehr auf das Hospitalschiff

Nach 14 Jahren kehrte Kim Anna Kronester im September 2024 auf das Hospitalschiff zurück, das einst ihre Leidenschaft für die Krankenpflege weckte. Zwischen vertrauter Umgebung und neuen Gesichtern erlebt sie bewegende Momente voller Gemeinschaft, Dankbarkeit und persönlicher Erfüllung. Im Interview, das wir während ihres Einsatzes an Bord führten, gibt sie Einblicke in ihren Alltag, berichtet von besonderen Begegnungen und erzählt vom Abenteuer, Leben im Herzen Afrikas zu verändern.

Liebe Kim Anna, wie waren denn Deine ersten Tage zurück an Bord?

Ich dachte eigentlich, ich würde sofort nostalgisch werden, sobald ich wieder an Bord bin. Aber das ist gar nicht passiert. Die ersten Tage waren eher eine seltsame Mischung aus Vertrautheit und Fremdheit. Einerseits kannte ich alles, wusste genau, wo was ist, und erinnerte mich an viele Dinge, die ich hier erlebt habe. Andererseits fühlte sich alles fremd an, fast wie ein neuer Ort – vielleicht auch wegen der vielen neuen Menschen hier. Seit meinem letzten Aufenthalt sind immerhin 14 Jahre vergangen, eine lange Zeit, in der sich viel verändert hat: Der Teppich ist neu, die Möbel sind anders, die Kantine wurde umgebaut… Trotzdem spürte ich sofort, dass es gut ist, wieder hier zu sein. Hier habe ich damals die Entscheidung getroffen, Krankenschwester zu werden und jetzt darf ich diesen Traum als ausgebildete Krankenschwester leben. Dafür bin ich unglaublich dankbar. Dieser Ort ist einfach etwas Besonderes für mich.

Fühlst Du Dich wohl in der internationalen Crew?

Ich habe eine sehr nette Gruppe kennengelernt, hauptsächlich Krankenschwestern, und ich bin jeden Tag dankbar dafür. Die Menschen hier haben ein ähnliches Herz für den Auftrag von Mercy Ships oder für das Abenteuer an Bord, wie ich es habe. Obwohl wir uns erst seit einem Monat kennen, sind es wirklich großartige Freundschaften. Es hat sich auch schnell herumgesprochen, dass ich als Kind schon einmal hier war. Das war anfangs witzig, weil einige mich mit diesem „Funfact“ den anderen vorgestellt haben (lacht).

Wirst Du aufgrund Deiner Erfahrung manchmal um Rat gefragt?

In den tiefergehenden Gesprächen geht es oft darum, wie es ist, an Bord aufzuwachsen oder als Familie hier zu leben. Ja, und manchmal fragen die Leute tatsächlich um Rat und ich kann aus meiner Erfahrung ein paar Einblicke geben, die anderen vielleicht fehlen – selbst bei Kleinigkeiten wie den Brandschutzübungen.

Gab es besondere Wiedersehen mit alten Bekannten?

Ja, absolut! Ich konnte ja sogar beide Schiffe besuchen und habe auf beiden alten Bekannte wiedergesehen. Auf der Africa Mercy traf ich Tom, er ist Ingenieur und ich kenne ihn, seit ich etwa drei Jahre alt bin. Er war damals auf der Caribbean Mercy, auf der meine Eltern seine Jüngerschaftsschule geleitet haben. Damals war Mercy Ships noch Teil der christlich-missionarischen Organisation Jugend mit einer Mission, die Bibelschulen anbietet. Ich wusste, dass er hier sein würde und wir haben uns letztens auf einen Kaffee getroffen und er hat mir mittlerweile eine Tour durch den Maschinenraum gegeben, was eine tolle Erfahrung war.

Auf der Global Mercy habe ich immer mal Menschen wiedergesehen, auf der Africa Mercy tatsächlich weniger. Von vielen wusste ich bereits vor meinem Einsatz, dass sie an Bord sein würden, aber es gab auch echte Überraschungen – zum Beispiel ein wunderschönes Wiedersehen mit meiner damaligen Jugendleiterin Jane, einer Krankenschwester, die mich damals betreut hat. Die Jugendgruppe bestand aus den Teenagern vom Schiff, und ich glaube, wir haben uns damals jede Woche getroffen.

Und es gibt auch zwei Sicherheitskräfte, die ich noch von früher kenne. Die Gurkhas sind Männer aus Nepal, die in einer speziellen militärischen Ausbildung geschult werden. Auf dem Schiff arbeiten sie als Sicherheitspersonal und sind unter anderem dafür zuständig, den Eingang zum Schiff zu überwachen und uns sicher von und an Bord zu lassen. Sie kennen viele Gesichter und Namen. Zwei von ihnen waren schon 2009 und 2010 auf dem Schiff, als ich auch dort war. Und sie sind immer noch da. Sie kennen natürlich meine ganze Familie und haben immer wieder nachgefragt, wie es allen geht.

Wie ist Dein Alltag auf dem Schiff?

Vieles ist anders, aber die Schichten sind ähnlich wie in Deutschland – Früh-, Spät- und Nachtschichten. Es ist schön, dass ich hier viele Freunde unter den Krankenschwestern habe, sodass wir auch außerhalb der Dienstzeiten etwas unternehmen können. Wenn ich arbeiten gehe, ziehe ich mich oft erst fünf Minuten vorher um, weil der Arbeitsplatz nur ein Stockwerk tiefer liegt (lacht). Der größte Unterschied zu meiner Arbeit in Deutschland ist, dass hier nahezu alles ausschließlich auf Chirurgie ausgerichtet ist, was für mich eine spannende neue Erfahrung ist. Die Zusammenarbeit mit Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern birgt ebenfalls Herausforderungen, aber die Organisation funktioniert erstaunlich gut. In Deutschland habe ich fast ein Jahr gebraucht, um mich wirklich gut eingearbeitet zu fühlen. Hier existieren einfach sehr gute Konzepte und eingespielte Prozesse. Das funktioniert sehr gut und hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet.

Auch die Patienten hier sind unglaublich dankbar. Für viele ist eine Behandlung auf unserem Schiff die einzige Chance auf Hilfe, oft nach Jahren des Wartens. Kürzlich hatten wir einen jungen Mann mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, der jahrelang auf seine Operation gewartet hat. Endlich konnte ihm geholfen werden. Diese Dankbarkeit berührt mich jedes Mal aufs Neue.

Was unternimmst Du in Deiner Freizeit?

Es gibt immer etwas zu tun und es ist toll, dass die meisten Leute aus meinem Umfeld zur gleichen Zeit an Bord gekommen sind. Oft schreiben wir einfach in unsere WhatsApp-Gruppe, ob jemand Lust hat, etwas zu unternehmen. Hier in Madagaskar ist vieles zu Fuß erreichbar, wie zum Beispiel der Markt oder ein Café für ein Eis. Sonntags findet ein Gottesdienst statt und unter der Woche gibt es Schulungen oder Team-Meetings, die den Zusammenhalt stärken. Mir geht es hier wirklich gut.

Hattest Du auf dem Schiff auch einen persönlichen „Gottes Moment“?

Ja, sehr viele sogar. Doch besonders prägend war ein Moment auf der Global Mercy. Am Morgen vor den ersten Operationen standen die Männer, die operiert werden sollten, zusammen im Kreis und beteten. Einfach so. Mit so viel Vertrauen. Dieser Moment war so bewegend, eine Erinnerung, die ich für immer in meinem Herzen tragen werde.

Gibt es etwas, was Du an der Arbeit auf dem Schiff besonders schätzt?

Ja, das Bildungs- und Schulungsprogramm ist für mich etwas sehr Besonderes. Einheimische Fachkräfte können an Bord mitarbeiten und lernen – das ist wirklich eine enorm nachhaltige Hilfe, die Mercy Ships leistet. Ich finde es sehr bereichernd, Wissen weiterzugeben und gleichzeitig selbst dazuzulernen. Wenn ich länger bleiben könnte, würde ich mich gerne noch mehr für dieses Programm engagieren.

Und gibt es Patienten, die Dir besonders ans Herz gewachsen sind?

Ich denke da zuerst an einen kleinen Jungen, etwa sechs oder sieben Jahre alt, der mit einem großen Lipom an der Hüfte an Bord kam. Er war acht Tage bei uns und ich durfte ihn von der Aufnahme bis zur Entlassung begleiten. Am Anfang war er sehr verschlossen und zeigte keine Mimik. Am zweiten oder dritten Tag konnte ich ihm dann ein Lächeln entlocken, was mich riesig gefreut hat. Bei unserer täglichen Runde, bei der wir mit den Patienten singen und tanzen, nahm ich ihn auf den Arm und bin mit ihm hin und her getanzt – und plötzlich fing er an zu lachen. Das war ein wunderschöner Moment und ich hoffe, ihn bald im Hope Center besuchen zu können.

Warum würdest Du anderen einen Einsatz auf einem Hospitalschiff von Mercy Ships empfehlen?

Es ist eine wunderbare Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern. Besonders für Menschen, die noch nie etwas Vergleichbares gemacht haben, ist es ein großartiger Einstieg. Natürlich gibt es, wie in jedem humanitären Einsatz, besondere Herausforderungen, aber es ist dabei sehr komfortabel: Du hast fließendes, warmes Wasser, eine Kantine, in der für Dich gekocht wird und die Menschen hier sind unglaublich freundlich. Die Atmosphäre ist einfach toll.

Kannst du dir vorstellen wiederzukommen?

(lacht) Ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, wiederzukommen.

Danke liebe, Kim Anna! Es klingt, als wärst du an Bord angekommen – nicht nur räumlich, sondern auch mit ganzem Herzen. Vielen Dank für deine Einblicke in das Leben und die besondere Gemeinschaft auf unseren Hospitalschiffen!

Werden auch Sie Teil unserer ehrenamtlichen Crew!

Menschen wie Kim Anna sind Herz und Motor von Mercy Ships. An Bord unserer Hospitalschiffe werden nicht nur ehrenamtliche Fachkräfte im medizinischen Bereich gesucht. Von der Kantine bis zum Kapitän sind vielfältigste Berufsfelder gefragt und für den zuverlässigen Betrieb der Schiffe unabdingbar. Nur gemeinsam als Team wird ein Hilfseinsatz zum Erfolg – nur zusammen können wir Hoffnung und Heilung zu den Ärmsten der Armen bringen.

Sie haben Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit an Bord?

Wir stehen Ihnen für alle Ihre Fragen gerne telefonisch unter 0 8191 98550-14 zur Verfügung. Mehr zu unseren Stellenangeboten finden Sie hier.

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Stefanie Odersky

interviewte Kim Anna über ihre Rückkehr auf die Africa Mercy.

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