Als Lehrer an Bord der Africa Mercy
Ein Interview mit unserem Ehrenamtlichen Tobias Klauke
Tobias Klauke ist 25 Jahre alt und hat sein erstes Staatsexamen bereits in der Tasche. Als Mathematiklehrer unterrichtete er ein Jahr auf der Africa Mercy die Kinder der Langzeitmitarbeiter.
Wie unterscheidet sich denn die „Schiffsschule“ von einer normalen deutschen Schule?
Der größte Unterschied ist die Klassengröße. In Deutschland gilt ein Kurs mit weniger als acht Schülern als ein absoluter Traum, auf dem Schiff eher eine Klasse mit mehr als einem Schüler. Dadurch, dass ich zwischen einem und fünf Schülern pro Klasse hatte, funktionierten manche Gruppenmethoden natürlich eher weniger, dafür war es einfacher, mir Zeit für einzelne Schüler zu nehmen und diese gezielt zu fördern. Für die Klassenatmosphäre macht die Klassengröße dann natürlich auch nochmal einen Unterschied, da sich alle Schüler sehr gut kennen.
Das Schiff ist ja wie ein Dorf, du bist deinen Schülern also wahrscheinlich auch außerhalb der Klassenräume begegnet. Wie war das?
Wenn deine Schüler mit dir zum Gottesdienst gehen und am Nachbartisch zu Abend essen, ist das natürlich schon etwas anders als zu Hause. Eltern und Schüler sind aber generell darauf bedacht, Freizeit und Schule zu trennen. Daher habe ich keine komischen Momente erlebt. Es gab sogar Aktionen, die wir in größeren Gruppen, gemeinsam mit Lehrern und Schülern, unternommen haben, und das habe ich eigentlich immer genossen.
Gab es Erlebnisse, die dir besonders im Gedächtnis hängen geblieben sind?
Während meiner Freizeit war ich natürlich auch im Land unterwegs und habe zum Beispiel regelmäßig ein Waisenhaus besucht. Ich durfte auch an einem Screening Trip, also an einer Reise ins Landesinnere, teilnehmen. Bei den Screening Trips werden die Patienten vor Ort untersucht und es wird geprüft, ob eine Operation und Behandlung an Bord der Africa Mercy möglich ist. Das Leid der Menschen und auch die Menge an für uns Europäer unbekannten Erkrankungen zu sehen war schon sehr hart. Es war dann sehr ermutigend, wenn die medizinischen Mitarbeiter ein “Ja“ geben konnten, aber leider gab es auch Situation, in denen sie das nicht konnten. Das war wirklich hart.
In meinem Arbeitsalltag hat mich besonders eine Dankeskarte bewegt, die ich von einem Schüler bekommen habe. Der Schüler hatte wenig Vertrauen in seine mathematischen Fähigkeiten, hat sein Selbstvertrauen aber in einem längeren Prozess wiedergewonnen. Hier habe ich gemerkt, wie die gute Zusammenarbeit mit den Eltern und eine kontinuierliche individuelle Förderung einen großen positiven Einfluss haben kann.
Du warst ja nicht in direktem Patientenkontakt. Hattest du trotzdem das Gefühl, dass deine Hilfe etwas bewirkt?
Auch wenn ich nicht am Operationstisch oder als Krankenpfleger gearbeitet habe: An Bord arbeiten alle zusammen auf ein Ziel hin und da macht es keinen Unterschied, was man macht. Die Mehrheit der Crew ist ja auch tatsächlich nicht medizinisch tätig, sondern arbeitet, damit wiederum die Mediziner Heilung bringen können.
Die Erfahrungen, die man sammeln kann und die einem einen ganz neuen Blick auf das Leben auf dieser Welt geben, waren sehr wertvoll. Besonders die Einsätze mit Mercy Ships in den Waisenhäusern waren darüber hinaus Möglichkeiten, bei denen ich etwas geben konnte. Und gleichzeitig eine Zeit in der ich selbst sehr viel zurückbekommen habe. Ich habe daher auch immer noch Kontakt mit einem der Waisenhäuser.
Würdest du anderen Kollegen einen Einsatz empfehlen?
Definitiv, die Erfahrung, in einer solchen internationalen Schule mit der Möglichkeit den Menschen in Afrika zu dienen, ist großartig. Absolute Empfehlung!
Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sollten man für einen Einsatz als Lehrer mitbringen?
Englisch muss man schon auf ordentlichem Niveau beherrschen und natürlich sollte man eine Lehrerqualifikation haben. Ansonsten ist aus meiner Sicht Offenheit und Freude für Neues, also zum Beispiel neue Konzepte, neue Ideen, neues Klassenmanagement, am wichtigsten.
Lieber Tobias, vielen Dank für diesen Einblick!
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