Sägemehl und Abenteuerlust

Sebastian Streicher zwischen Werkbank, Tauchermaske und Feuerwehrhelm

Sebastian Streicher aus Köln hat sich für zwei Jahre einen besonderen Arbeitsplatz ausgesucht: Als Schreiner auf dem Hospitalschiff Africa Mercy bringt der 35-Jährige alles wieder in Ordnung, was an Bord kaputtgeht. Im Interview erzählt er, wie er zu Mercy Ships kam, was ihn an seiner Arbeit begeistert und warum ein bisschen Abenteuerlust auf See nie schaden kann.

Sebastian, wie bist Du zu Mercy Ships gekommen?

Das allererste Mal habe ich vor ein paar Jahren von Mercy Ships gehört. Zwei Mädels aus meiner Gemeinde waren damals schon an Bord. Später habe ich dann eine Anzeige auf Facebook gesehen. Nach zwei Jahren kam dann die Zusage. Davor war ich zweieinhalb Jahre in Neuseeland und noch eineinhalb Jahre in Australien. Das Konzept fand ich einfach super – Menschen mit meinem Handwerk zu helfen, das hat mich gereizt. Ich war vorher zweieinhalb Jahre in Neuseeland unterwegs und dachte mir: „Ach komm, bewirb Dich einfach mal.“ Und jetzt bin ich hier.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Dich aus?

Das kommt ganz auf den Tag an. Wir starten mit dem Training. Training kann bei uns zwei Dinge bedeuten: Einerseits sind das praktische Übungen wie Feuerwehr-Drills oder Evakuierungsproben, bei denen wir im Team verschiedene Notfallsituationen durchspielen. Andererseits umfasst „Training“ auch geistliche Inhalte, wie eine gemeinsame Lobpreiszeit, das gemeinsame Anschauen von Videos zu Bibelthemen oder kurze Andachten, die zur persönlichen und geistlichen Weiterentwicklung beitragen. Danach schaue ich, welche neuen Arbeitsaufträge hereingekommen sind oder was von gestern noch offen ist. Dann wird priorisiert, was am wichtigsten ist. Momentan hilft mir jemand von der Day Crew (Anmerkung der Redaktion: lokale Hilfskräfte aus dem Einsatzland), eigentlich sollten wir zwei Schreiner sein. Ende August kommt auch wieder jemand dazu.

„Die Aufgaben reichen von kleinen Reparaturen – wie ein abgebrochener Griff an einer Schublade – bis zu größeren Projekten, etwa ein neuer Schreibtisch. Jeder Tag ist anders, das macht es spannend. “
Sebastian Streicher

Und wenn eine Feuerübung ansteht, wie heute, dann starte ich keine großen Projekte mehr.

Was war Dein ungewöhnlichstes oder kreativstes Reparaturprojekt an Bord?

Definitiv die orthopädischen Schuhe, die ich für einen Jungen gebaut habe. Er hatte eine Beinlängendifferenz von etwa 6 cm und Elephantiasis. Das war schon eine Herausforderung und sicherlich das kreativste Projekt bisher. Ansonsten mache ich die klassischen Schreinerarbeiten: Schreibtische bauen, Möbel reparieren, alles was eben so anfällt.

Du bist ja für eine lange Zeit an Bord gegangen: Wie erlebst Du persönlich das ständige Kommen und Gehen der anderen Crewmitglieder und den Kontakt zu den Patienten?

Mit den Patienten habe ich leider wenig Kontakt, weil ich nicht im medizinischen Bereich arbeite und auch kein Malagasy oder Französisch spreche. Aber mit der Crew und der Day Crew arbeite ich eng zusammen. Es ist immer bewegend, wenn neue Leute kommen und man sich gut versteht – aber auch schwer, wenn sie nach ein paar Monaten wieder gehen. Umso schöner ist es, wenn andere bleiben oder zurückkehren.

Welche Fähigkeiten sollte ein Schreiner an Bord eines Hospitalschiffs mitbringen?

Gute Englischkenntnisse werden benötigt, Französisch ist ein Plus. Man muss kreativ sein und mit einfachsten Mitteln arbeiten können, denn nicht immer sind alle Maschinen oder Ersatzteile vorhanden. Materialbeschaffung ist hier eine echte Herausforderung – man kann nicht einfach beim Holzhändler anrufen. Man repariert eigentlich alles, außer im Maschinenraum und Elektrik – Vielseitigkeit ist gefragt! Außerdem lebt und arbeitet man auf engstem Raum und mit vielen verschiedenen Kulturen. 

„Wer offen dafür ist, seinen Horizont zu erweitern und sich auf Neues einzulassen, ist hier genau richtig. “ 
Sebastian Streicher

Was würdest Du jemandem raten, der sich engagieren will?

Machen – auf jeden Fall machen! Wer Lust hat, kreativ zu arbeiten, der ist hier richtig. Die Africa Mercy ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen, da geht immer etwas kaputt. Langweilig wird es nie.

Du bist auch Teil des Tauchteams. Gehört das offiziell zu Deinen Aufgaben? Musstest Du Dich für die Arbeit an Bord oder als Taucher besonders vorbereiten?

Das Tauchen ist ein zusätzliches Engagement, dafür braucht man einen Tauchschein und Erfahrung. Der erste Tauchgang wird mit dem Tauchmeister durchgeführt, der deine Fähigkeiten prüft. Wir tauchen mit Vollgesichtsmaske. Das Hafenbecken hier in Madagaskar ist sauber, aber manchmal liegt das Schiff in anderen Ländern auch in einer „schwimmenden Müllhalde“. Meinen Tauchkurs habe ich in Südafrika gemacht. Etwa alle zwei Wochen tauchen wir. 

Wenn ein Schiff über längere Zeit im Hafen liegt, wird das problematisch, weil sich am Rumpf viele Dinge festsetzen – zum Beispiel Algen, Muscheln oder auch Müll. Besonders kritisch wird es, wenn sich diese Ablagerungen an den Wasseransaugstellen oder Gittern festsetzen, da dort zum Beispiel Wasser für das Feuerlöschsystem entnommen wird. Deshalb müssen regelmäßig Propeller und Gitter gereinigt werden. Auch wenn man die Verschmutzung oft nicht sofort sieht, erkennt man zum Beispiel an den Netzen, die wir als Filter vor die Einlaufstellen gespannt haben, oder beim Reinigen der Schiffsschraube, dass sich dort einiges festsetzt.

Und dann bist Du auch noch bei der Feuerwehr auf dem Schiff, was macht ihr da genau?

Ja, das ist ein wichtiges Thema an Bord. Die Mitarbeit im Team der Bordfeuerwehr kann Bestandteil der Einarbeitung für alle sein, die in handwerklichen Bereichen arbeiten. So sind wir auf alle Eventualitäten vorbereitet und können im Ernstfall schnell und effektiv reagieren. Das ist besonders cool und macht Spaß. Jede Woche gibt es Übungen mit verschiedenen Szenarien. Aktuell haben wir sogar einen Feuerwehrmann aus Finnland, der uns trainiert. Es ist toll, von Experten zu lernen.

Danke, Sebastian, für Deine Einblicke und Deinen Einsatz an Bord der Africa Mercy!

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Stefanie Odersky

interviewte Sebastian Streicher über seinen Einsatz auf der Africa Mercy.

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