Zwillingspower an Bord

Im doppelten Einsatz auf unserem Hospitalschiff in Madagaskar

Ruth und Tabea Nusser kommen aus Friedrichshafen am Bodensee.  Die beiden Schwestern sind (zur Zeit) an Bord des Hospitalschiffs Africa Mercy in Madagaskar. Dort kommt es nicht selten vor, dass sie verwechselt werden – denn die beiden sind eineiige Zwillinge und gleichzeitig Krankenschwestern. Mit ihrem ehrenamtlichen Einsatz wollen sie gemeinsam Hoffnung und Heilung nach Afrika zu bringen.

Im Interview geben sie tiefe Einblicke in ihre Motivation und Erfahrungen, und erzählen über die berührenden Momente, die sie in der Zeit ihrer Einsätze an Bord erlebt haben.

Liebe Tabea, liebe Ruth – wie kam es dazu, dass Ihr Euch entschieden habt, Mercy Ships ehrenamtlich zu unterstützen?

Tabea: 2014 haben wir uns zum ersten Mal bei Mercy Ships beworben. Damals war Ruth auf einer großen christlichen Konferenz in Stuttgart. Sie kam mit jeder Menge Flyer nach Hause, von denen einige vorschnell im Papierkorb landeten. Ich war neugierig und zog einen Flyer wieder heraus…

Ruth: Auf dem Flyer stand der Slogan „Wir bringen Hoffnung und Heilung“. Dieser Satz hat uns damals wie heute tief berührt. Wir sind beide Krankenschwestern und üben unseren Beruf aus voller Überzeugung als Christinnen aus – im Dienst an unseren Nächsten. Mercy Ships setzt genau das um, indem die Organisation dem Beispiel Jesu folgt und den Ärmsten der Armen dient. Dieses Jahr sind wir zum dritten Mal an Bord, wobei unser letzter Einsatz bereits sieben Jahre zurückliegt.

Was haben Eure Freunde und Familie dazu gesagt, dass Ihr erneut in einen Einsatz nach Afrika geht?

Tabea: Natürlich war es für unsere Eltern zunächst schwer, uns gehen zu lassen. Doch mit der Zeit haben sie erkannt, wie viel uns diese Einsätze bedeuten und wie sehr sie uns auch persönlich bereichern. Jetzt, nach den vielen Jahren „Pause“, wissen sie, was es für uns bedeutet, zurückzukehren, und sie unterstützen uns aus tiefstem Herzen.

Ruth: Unsere Freunde sind von unserem Engagement beeindruckt und ermutigen uns, weiterzumachen. Viele finden es inspirierend, dass wir nach so vielen Jahren erneut aufbrechen, um unseren Teil zur Mission von Mercy Ships beizutragen. Es ist ein wunderbares Gefühl, so viel Unterstützung zu haben und zu wissen, dass unsere Liebsten hinter uns stehen – auch wenn wir tausende Kilometer entfernt sind.

„ (…) der Slogan „Wir bringen Hoffnung und Heilung“. Dieser Satz hat uns damals wie heute tief berührt. “
 Ruth Nusser 

Was bedeutet es für Euch auf einem Hospitalschiff von Mercy Ships in Afrika tätig zu sein? Was hat Euch bewegt nochmals mitzuarbeiten?

Ruth: Es ist ein großes Geschenk, wieder auf der Africa Mercy zu sein. Jeden Arbeitstag mit Gebet zu beginnen und in einer so internationalen und überkonfessionellen Gemeinschaft zu sein, ist wirklich einzigartig. Es gibt uns die Möglichkeit, das zu leben, was uns unser Glaube lehrt – bedingungslose Liebe. Ich bin besonders dankbar, dass ich hier mit meiner Zwillingsschwester sein darf. Wir arbeiten in der Schweiz in derselben Notaufnahme. Dass wir beide zur gleichen Zeit unbezahlten Urlaub bekommen haben, ist alles andere als selbstverständlich.

Ich freue mich aber auch sehr, dass das Schiff wieder in Madagaskar angelegt hat. Hier waren wir vor Jahren schon einmal im Einsatz. Das hat mich ebenfalls motiviert, noch einmal zurückzukehren.

Tabea: Ja, das glaube ich auch. Der Wunsch, zur Africa Mercy zurückzukehren, war schon lange in unseren Herzen. Für mich ist es eine besondere Erfüllung, auf dem Schiff zu sein und meinen Beitrag zu leisten. Die Arbeit auf der Africa Mercy bedeutet, Menschen zu helfen, die sonst keinen Zugang zu der dringend benötigten medizinischen Hilfe hätten. Das erinnert mich immer wieder an Jesu Auftrag, sich um die Schwächsten zu kümmern.

„Für mich ist es eine besondere Erfüllung, auf dem Schiff zu sein und meinen Beitrag zu leisten. Die Arbeit auf der Africa Mercy bedeutet, Menschen zu helfen, die sonst keinen Zugang zu der dringend benötigten medizinischen Hilfe hätten.“
 Tabea Nusser

Welche Unterschiede nehmt Ihr in Eurer Arbeit an Bord im Gegensatz zu Eurem beruflichen Alltag in der Schweiz wahr?

Ruth: Besonders berührt mich die Dankbarkeit der Patienten und der respektvolle Umgang, den wir als Team miteinander pflegen. Dass Seelsorge hier eine so wichtige Rolle spielt und die Patienten nicht nur körperlich, sondern auch seelisch begleitet werden, macht einen großen Unterschied. Ich werde nie die Momente vergessen, in denen die Patienten mit einem Lächeln das Schiff verlassen – verändert und gestärkt.

Tabea: Das stimmt. Dass Jesus im Mittelpunkt steht, finde ich so wichtig – das macht das Schiff zu einem Ort, an dem Gott wirklich Wunder wirkt. Mich begeistert aber auch die Zusammenarbeit mit Menschen aus so vielen verschiedenen Kulturen, Denominationen und Berufen. Ob Krankenschwestern, Chirurgen odereinheimische Mitarbeiter – alles ist so harmonisch. Besonders schön finde ich die Stunden auf Deck 7, meistens zwischen 14:30 und 15:30 Uhr. Dort singen spielen und tanzen wir mit den Patienten an der frischen Luft. Solche Momente führen mir vor Augen, wie wichtig es ist, sich über die kleinen Dinge im Leben zu freuen.

Habt Ihr besonders intensive Momente erlebt, die Euch in Erinnerung bleiben?

Ruth:  Bei meinem Einsatz 2016 durfte ich im Freedom from Fistula Center arbeiten, einem Projekt, das aus dem von Mercy Ships in den 2000er-Jahren errichteten Women’s Center in Freetown, Sierra Leone, hervorgegangen ist. Heute arbeiten dort madagassische Krankenschwestern, die vor Jahren von Mercy Ships ausgebildet wurden. Von 2015 bis 2016 wurden dort über 300 Frauen operiert, die an einer unbehandelten Geburtsfistel litten. Eine Fistel entsteht oft bei einer komplizierten, langwierigen Geburt und führt zu Inkontinenz. In Madagaskar können sich die meisten Frauen eine solche Operation nicht leisten und werden von der Gesellschaft ausgestoßen.

Tabea: Ich denke oft an eine 70-jährige Patientin, die nach ihrer Operation jeden Mitarbeiter mit einem Lächeln und einer Umarmung verabschiedete. Die Geschichten der Menschen, ihre Stärke und ihre Dankbarkeit zeigen mir immer wieder, wie wichtig diese Arbeit ist. Besonders berühren mich die Geschichten der Kinder. Sie haben oft schon so viel Leid in ihrem Leben erfahren. Sie nach der Operation lachen und spielen zu sehen – das ist unbezahlbar.

Was bedeutet es Euch, gemeinsam als Schwestern im Einsatz zu sein?

Ruth:  Es ist eine wundervolle Erfahrung, die ich mit meiner Zwillingsschwester teilen kann. Schon von Anfang an hatten wir den Wunsch, diese Zeit gemeinsam zu erleben, und es ist ein Segen, jemanden an seiner Seite zu haben, der einen durch und durch kennt. Vor ein paar Tagen hatte ich Spätschicht und war etwas zu früh da. Tabea stand mit dem Rücken zum Eingang am Bett eines kleinen Patienten und versuchte, ihm Medizin zu geben, doch der Kleine weinte. Am Bett stand auch eine ältere Patientin, die uns neugierig beobachtete und staunte. Sie schaute erst zu mir, dann zurück zu Tabea. Als Tabea sich umdrehte, fragte die Patientin, ob wir Zwillinge seien. Wir lachten und die beiden strahlten mich während der ganzen Spätschicht an.

Tabea: Das war wirklich lustig. An Bord kommt es immer wieder zu Verwirrungen und Missverständnissen. Nach acht Jahren wieder zusammen auf der Africa Mercy zu sein, ist eine wunderschöne Erfahrung. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit, die mir einmal mehr zeigt, wie privilegiert wir in Europa sind und wie gut es uns geht. Dass wir hier unsere Gaben einbringen und teilen dürfen, was wir selbst geschenkt bekommen haben, ist wirklich großartig.

Vielen Dank, liebe Ruth und liebe Tabea, für Euren unermüdlichen Einsatz und die wertvollen Einblicke in Eure Arbeit. Möge Gott Euch weiterhin segnen und Euch die Kraft und Inspiration schenken, noch vielen Menschen Hoffnung und Heilung zu bringen.

Werden auch Sie Teil unserer ehrenamtlichen Crew!

Menschen wie Tabea und Ruth sind Herz und Motor von Mercy Ships. An Bord unserer Hospitalschiffe werden nicht nur ehrenamtliche Fachkräfte im medizinischen Bereich gesucht. Von der Kantine bis zum Kapitän sind vielfältigste Berufsfelder gefragt und für den zuverlässigen Betrieb der Schiffe unabdingbar. Nur gemeinsam als Team wird ein Hilfseinsatz zum Erfolg – nur zusammen können wir Hoffnung und Heilung zu den Ärmsten der Armen bringen.

Sie haben Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit an Bord?

Wir stehen Ihnen für alle Ihre Fragen gerne telefonisch unter 0 8191 98550-14 zur Verfügung. Mehr zu unseren Stellenangeboten finden Sie hier.

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Stefanie Odersky

interviewte Ruth und Tabea Nusser über ihren Einsatz auf der Africa Mercy.

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